BIOGRAFIE
Maresy Schlüter wurde als Maria Theresia Heinl in Wien geboren.
Maresi, wie sie von Anfang an genannt wurde, wuchs im „Ausseerland“ auf, einem wider- sprüchlichen Topos im Herzen Österreichs.. Bis zur Annexion Österreichs durch Hitlers Truppen fand hier ein reges kulturelles Leben auf internationalem Niveau statt. Komponisten, Schriftsteller und andere Kulturschaffende – von Johannes Brahms bis Jakob Wassermann und Hugo von Hofmannsthal, von Sigmund Freud und Theodor Herzl bis Arthur Schnitzler - fanden hier einen Ort, an dem sie sich erholten, an dem sie arbeiteten und sich miteinander austauschten. Das änderte sich radikal, als 1938 Hitlers Truppen Österreich annektierten, und die Nazis die Herrschaft übernahmen. Mit einem Mal wechselten die Akteure. Führende Nationalsozialisten wie Josef Goebbels entdeckten das Ausseerland als Ferienregion, andere Nazis wurden hier sesshaft, arisierten im Handumdrehen den meist jüdischen Villenbesitz, „Kultur“ reduzierte sich auf Tracht und einheimische Bräuche. Soweit die Zeit vor 1945.
AUSSEERLAND
Ihr Vater, unglücklicher Sohn des oben erwähnten Ministers, trank unmäßig, schoss zu Hause mit Jagdgewehren um sich und erhängte sich, als Maresi sieben Jahre alt war. Auch dieses Motiv kehrt in späteren Arbeiten häufig wieder. Maresis Mutter war damit überfordert, ihre Kinder (1948 wurde Maresis Schwester geboren) allein groß zu ziehen, und delegierte die meisten Aufgaben an andere Personen. So schickte sie Maresi für zwei Jahre in ein internationales Internat bei Montreux, wo sich die 12-14-Jährige inmitten einer polyglotten Community vorwiegend älterer Mitschülerinnen zunächst hoffnungslos überfordert fühlen musste.
Zurück in Bad Aussee hielt Maresi das Leben zu Hause nicht mehr lange aus. Mit 17 ging sie aus eigenem Antrieb nach Graz und schrieb sich an der dortigen Kunstschule ein. Professor Rudolf Szyszkowitz, etablierter Maler und Mitglied der Wiener Sezession, erkannte ihr Talent und nahm sie in seine Meisterklasse für Malerei auf, wo Maresi die drei Jahre bis zu ihrem Abschluss zubrachte. Ein Jahr später folgte sie ihrem Professor an die Sommerakademie Salzburg, wo Szyszkovitz die Nachfolge des scheidenden Gründers und langjährigen Leiters Oskar Kokoschka übernahm. In den folgenden Jahren arbeitete Maresi als Bühnenbildnerin und als Restauratorin, zeichnete, malte und nahm an Gruppenausstellungen teil, bevor sie 25-jährig nach Deutschland ging. In München lernte sie Reinhard Schlüter kennen, damals Student der Wirtschaftswissenschaft und des Bauingenieurwesens, aber mit starker künstlerischer Neigung. 18 Monate später heirateten beide. Es folgten zwei Jahrzehnte, in denen jeder der Beiden seinen eigenen beruflichen Weg suchte - Maresi mir einem eigenen Ladengeschäft in der Münchner Innenstadt und mit diversen Weihnachtsmarktständen, wo sie jeweils teils selbst entworfene Produkte verkaufte - Reinhard mit einem bautechnischen Konstruktionsbüro. Daneben fanden sich beide immer wieder zu gemeinsamen Projekten. So entstanden nach und nach Porträtmarionetten (nach prominenten Zeitgenossen), Puppenhäuser (nach dem Vorbild altmünchner Hausfassaden), die jeweils über Werbevitrinen im Münchner Nobelhotel Bayerischer Hof verkauft wurden und die bald auch Aufmerksamkeit in der Münchner Presse fanden, sowie Theaterstücke, die teils im TV ausgestrahlt und auf Tournee gespielt wurden - um nur einen Teil des Spektrums zu nennen.
Nach 30 Jahren entschlossen sich beide, eine Zeitlang im Ausseerland zu leben, Maresis Heimat. Kaum war Maresi an den Ort ihrer Kindheit zurückgekehrt, begann sie, sich künstlerisch intensiv mit ihrer Heimat und deren Geschichte auseinanderzusetzen. An Material war für sie – neben Farben, Mal- und Zeichenwerkzeug, Leinwänden und Unmengen an Papier - alles brauchbar, was die Umgebung hergab: alte Hüte und Hausrat ebenso wie Kleiderbügel, Mäntel und Schuhe, Sensen, Sicheln, Metallreste, Steine, Draht, Schnitt- und Schwemmholz bis hin zu mumifizierten Tierkadavern. Nur mit Mühe konnte Reinhard seine geliebte Frau davon abhalten, einen vor der Villa verendeten Dachs in eine Installation einzubauen. In den folgenden neun Jahren entstanden so hunderte von Installationen, Objekten, Assemblagen und Skulpturen, daneben Acrylbilder, Aquarelle und einige hundert Zeichnungen. Fast alle bezogen sich in der einen oder anderen Weise auf das Ausseerland und ihre Menschen, deren Geschichte und Gegenwart, während ihre innere Aussage auf allgemein menschliches Fühlen und Verhalten verweist und somit überall verstanden werden kann – zumal die meisten Werke Humor und Hintersinn erkennen lassen.
2011 drängte Maresi Reinhard, der sich nach seinem Ausstieg aus dem Ingenieurberuf 1997 inzwischen als Cartoonist, Buch- und Rundfunkautor etabliert hatte, zum Malen. Schon nach zwei Jahren ergab sich daraus eine nachgerade wichtige Ausstellung. Wichtig vor allem deshalb, weil sich Maresi von Reinhard überzeugen ließ, ihre Scheu zu überwinden und auf dieser Ausstellung erstmals eigene Werke in ihrer Heimatregion zu präsentieren. Es folgten positive Presse- und TV-Berichte sowie ein 2- stündiges Rundfunkporträt.
Doch dann wurde bei Maresi Krebs diagnostiziert. Nur drei Wochen später wurde Reinhard mit akutem Nierenversagen in die Klinik eingeliefert. Die Konsequenz war klar, zumal es in Österreich zu dieser Zeit Wartelisten für Strahlentherapie-Termine gab. So kehrten beide nach knapp zehn Jahren wieder nach Deutschland zurück.
Den neun hoch kreativen Jahren in Aussee folgten dreieinhalb weitere, von Klinikaufenthalten und Arztterminen bestimmte, dennoch nicht minder kreative Jahre. Während jetzt vor allem Reinhard malte und am Ausstellungsbetrieb teilnahm, zog sich Maresi aufs Zeichnen zurück: Für beide erwies es sich als Glücksfall, dass sie 2016 - nach zwei Jahren in Nürnberg - in Ulrike Irrgangs Bogenhof landeten, einem ehemaligen Fürther Handwerkerhof vis-à-vis dem alten jüdischen Friedhof und nur wenige Schritte von jenen Häusern entfernt, in denen der Schriftsteller Jakob Wassermann Kindheit und Jugend verbrachte. Letzteres begünstigte das in Maresi ohnehin spontan motivierte Heimatgefühl - war ihr doch vom Ausseerland her der Name und die kulturhistorische Bedeutung Jakob Wassermanns zutiefst vertraut! Ungeachtet ihres gesundheitlichen Handicaps infolge kraftraubender und einschränkender ärztlicher Behandlungen schuf Maresi hier zahllose weitere Zeichnungen. Daneben entstanden Entwürfe und Projektideen, die sie gemeinsam mit Reinhard unter dem Label „Schlueter & Schlueter“*** umsetzen wollte, sobald sie dazu wieder in der Lage wäre. Allein beim “Gastspiel” der Fürther Künstler im Oktober 2016 öffneten beide ihre Atelierwohnung für rund zweihundert Besucher. Doch einmal mehr sollten sich ihre Zukunftshoffnungen nicht erfüllen.
Nach vier Jahren Hoffen, Kämpfen und Bangen erlag Maresi am 1. Februar 2018 ihrer schweren Krankheit.
Eine erste kurze Retrospektive auf Maresis künstlerisches Schaffen war bereits im Herbst 2018 auf dem Bogenhof zu sehen. Im Rahmen ihrer aktuellen Ausstellungsserie SIE SIND WIR - AUFERSTEHEN MÖGLICH in der Fürther Auferstehungskirche würdigt Ulrike Irrgang das Leben und Schaffen von Maresi Schlüter.
*** Da es Maresi war, die ihn ab 2011 wieder zur Malerei drängte und motivierte, signiert Reinhard seit 2018 alle seine Arbeiten mit “SCHLUETER+SCHLUETER”
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Maresi 1964, als sie sich mit 17 an der Kunstschule am Ortweinplatz in Graz einschrieb. An der Wand hängen nicht etwa Fotos der Beatles oder Rolling Stones, die damals Furore machten, sondern Porträts von Helmut Qualtinger, dem Zeichner Paul Flora und dem Pantomimen Marcel Marceau.
Am 18. Dezember 1946 wurde Maresi in Wien geboren. Zwar lebten ihre Eltern längst in Bad Aussee, doch ihr erstes Kind wollte Maresis damals 22-jährige Mutter lieber in der Nähe ihrer eigenen Mutter zur Welt bringen. Maresis Kindheit war alles andere als stabil: einerseits herrschte in ihrer Familie ein explizites Standesbewusstsein, welches sich vor allem aus der Tatsache nährte, dass Maresis Großvater Eduard Heinl als mehrmaliger Handelsminister der I. und der II. Republik eine hohe Reputation in der Alpenrepublik besaß. Andererseits erlitt Maresi schon kurz nach ihrer Geburt eine mehrere Wochen andauernde Lähmung äußerer Gliedmaßen. Wie sehr dieses Handicap sich in ihrem Unterbewusstsein verfing, erkennt man noch bei Kunstwerken, die sie teils erst mit über 60 Jahren schuf.
Schon früh zeichnete sich Maresi durch Eigenständigkeit, ein feines Gespür für Menschen und eine starke Begabung fürs Zeichnen aus. Doch das Umfeld, in dem sie aufwuchs, war ihrer Natur wenig förderlich.
Ein charakteristisches Foto: Maresi (3.v.li.) mit 11 Jahren. Als Einzige verweigert sie sich der Aufforderung des Fotografen, in die Kamera zu blicken und womöglich gar zu lächeln!.